23.11.2022 | Szenarien zur Klimaneutralität und Versorgungssicherheit der Schweiz

Die Unbezahlbarkeit der Autarkie

Kürzlich hat die der OECD angegliederten Kernenergieagentur (Nuclear Energy Agency) Szenarien zur Klimaneutralität und Versorgungssicherheit der Schweiz im Jahr 2050 berechnet. Die Agentur kommt zum Schluss, dass beides am günstigsten realisiert werden kann, wenn die Schweiz auch 2050 noch auf Kernenergie setzt und mit der EU einvernehmliche Lösungen für den Stromhandel sicherstellt. Wie sieht die Sachlage aus Optik von Axpo aus, die Erfahrung mit allen Produktionstechnologien (Erneuerbare, Kernenergie, Gas) hat? Folgende Gedanken dazu.

Aus Sicht von Axpo ist es sowohl für den CO2-Ausstoss als auch aus Kostenoptik richtig, bestehende Kernkraftwerke so lange laufen zu lassen, wie sie technisch sicher und wirtschaftlich tragbar sind. Über Ersteres entscheiden letztlich die Fachbehörden, über Zweiteres nicht zuletzt die Politik: Je nachdem, welche Auflagen für den Weiterbetrieb gemacht werden, können auch bestehende Kernkraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Sicherheit muss aber in jeden Fall Priorität haben.

Axpo geht auch davon aus, dass es nach Stilllegung der bestehenden Kernkraftwerke nicht nur mit Wind und Photovoltaik gehen wird. Es braucht steuerbare Kraftwerke, die auch bei Dunkelflauten verlässlich Strom liefern. Das können CO2-neutrale Gaskraftwerke sein, wobei damit die Annahme verbunden ist, dass nach dem technischen Lebensende der bestehenden Kernkraftwerke der Markt für CO2-freies Gas gross genug sein wird (zu möglichen Szenarien vgl. https://powerswitcher.axpo.com).

Ohne dass Axpo eine aktualisierte Kostenschätzung vorliegen hat, erscheint der von Kernenergieagentur subsumierte Preis von 12.8 Milliarden für den Neubau von zwei Kernkraftwerken in der Schweiz als optimistisch, auch wenn die Kosten für moderne Kernkraftwerke in den nächsten Jahrzehnten sinken werden. Axpo teilt die Auffassung der Kernenergieagentur, dass ohne staatlich garantierte Rahmenbedingungen kaum ein Investor aufspringen werde. Ein Kernkraftwerk muss über 60 bis 80 Jahren amortisiert werden, und in diesem Zusammenhang braucht es aus Investorensicht eine Erlössicherheit, um Kapital solange zu binden. Wie gegenwärtige Neubauprojekte belegen, gehen mit der der Konstruktion von Kernanlagen grosse Risiken einher: Kosten- und Zeitüberschreitungen sind an der Tagesordnung und prägen die Projekte in Frankreich, Grossbritannien und Finnland. Auch die gesellschaftliche Akzeptanz ist im Moment nicht gegeben. Die Schweizer Bevölkerung hat 2017 die Energiestrategie des Bundes gutgeheissen, womit ein Neubauverbot ins Gesetz geschrieben wurde.

Mit Blick auf die Folgekosten kann auch die Autarkie kein gangbares Szenario sein. Axpo teilt diesbezüglich die Auffassung der Kernenergieagentur. Denn mit der Autarkie würden sich die Systemkosten im Vergleich zu einem offenen Strommarkt verdoppeln. Autarkie ist unbezahlbar. Die Europäischen Strommarkt-Regulatoren haben unlängst den Nutzen des offenen Markts für die Endkunden mit 34 Milliarden Euro pro Jahr beziffert.

Zusammenfassend: Was ist aus Axpo-Sicht für die Realisierung von Klimaneutralität und Versorgungssicherheit zu tun? Erstens sind die Rahmenbedingungen für einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren dauerhaft und langfristig zu verbessern, um die Wahrscheinlichkeit von kritischen Situationen in Zukunft zu minimieren. Dafür braucht es konstant schnelle Bewilligungsverfahren sowie entsprechende Förderinstrumente, wie z.B. gleitende Marktprämien nach internationalem Vorbild. Schliesslich sind die bestehenden Kernkraftwerke so lange am Netz zu lassen, wie sie sicher und wirtschaftlich betrieben werden können. Das gibt uns Zeit zum Ausbau der Erneuerbaren, die immer preiswerter werden.

Link zur Studie.

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